BOTSCHAFT SEINER HEILIGKEIT
JOHANNES PAUL II.
ZUR FEIER DES WELTFRIEDENSTAGES
1. JANUAR 2001
1. Am Beginn eines neuen Jahrtausends macht sich noch augenfälliger die Hoffnung bemerkbar, daß die Beziehungen zwischen den Menschen zunehmend von dem Ideal einer wahrhaft universalen Brüderlichkeit beseelt sein mögen. Solange aber die Menschen nicht gemeinsam dieses Ideal vertreten, wird man keinen stabilen Frieden sicherstellen können. Viele Zeichen geben zu der Annahme Anlaß, daß sich diese Überzeugung im Bewußtsein der Menschen immer stärker Bahn bricht. Der Wert der Brüderlichkeit wird von den großen »Chartas« der Menschenrechte proklamiert, von großen internationalen Institutionen und besonders von der Organisation der Vereinten Nationen anschaulich zum Ausdruck gebracht und schließlich wird er, nachdrücklich wie niemals zuvor, von dem Globalisierungsprozeß gefordert, der in zunehmendem Maße die Ziele der Wirtschaft, der Kultur und der Gesellschaft verbindet. Die gleiche Überlegung der Gläubigen in den verschiedenen Religionen ist immer bereiter zu unterstreichen, daß die Beziehung zu dem einzigen Gott und gemeinsamen Vater aller Menschen förderlich dafür sein muß, daß wir uns als Brüder fühlen und als Brüder leben. In der Offenbarung Gottes in Christus kommt dieses Prinzip mit äußerster Radikalität zum Ausdruck: »Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe« (1 Joh 4,8).
2. Gleichzeitig kann uns freilich nicht verborgen bleiben, daß die soeben beschworenen Lichtblicke von ausgedehnten, dichten Schatten verdunkelt werden. Die Menschheit beginnt diesen neuen Abschnitt ihrer Geschichte mit noch offenen Wunden; sie wird in vielen Regionen von erbitterten, blutigen Konflikten heimgesucht; sie kennt das Bemühen um eine recht schwierige Solidarität in den Beziehungen unter Menschen verschiedener Kulturen und Zivilisationen, die auf denselben Gebieten anzutreffen sind, sich inzwischen immer näher kommen und gegenseitig beeinflussen. Alle wissen, wie schwierig es ist, die Argumente der Gegner zu entkräften, wenn auf Grund alten Hasses und belastender Probleme, deren Lösung sich schwer gestaltet, die Herzen erregt und verbittert sind. Aber nicht weniger gefährlich für die Zukunft des Friedens wäre die Unfähigkeit, die Probleme mit Weisheit anzupacken, vor die sich die Menschheit durch die neue Ordnung gestellt sieht, die sie nach und nach übernimmt; die Ursache dieser Entwicklung liegt in der Beschleunigung der Migrationsprozesse und der sich daraus ergebenden neuen Formen des Zusammenlebens zwischen Personen verschiedener Kulturen und Zivilisationen.
3. Es erschien mir daher dringend geboten, jene, die an Christus glauben, und mit ihnen alle Menschen guten Willens einzuladen, über den Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Traditionen der Völker nachzudenken, indem ich darin den notwendigen Weg aufzeige für den Aufbau einer versöhnten Welt, die fähig ist, mit Gelassenheit in ihre Zukunft zu blicken. Es handelt sich um ein Thema, das im Hinblick auf den Frieden entscheidend ist. Ich freue mich, daß auch die Organisation der Vereinten Nationen diese Dringlichkeit erfaßt und dadurch thematisiert hat, daß sie 2001 zum »Internationalen Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen« erklärte.
Ich bin natürlich weit davon entfernt zu meinen, zu einem Problem wie diesem ließen sich einfache, gleichsam "gebrauchsfertige" Lösungen anbieten. Mühsam ist schon allein die Deutung einer Situation, die ständig in Bewegung zu sein scheint, so daß sie jedem im voraus festgelegten Schema entgleitet. Dazu kommt die Schwierigkeit, Grundsätze und Werte zu verbinden, die sich zwar theoretisch in Einklang bringen lassen, konkret aber Spannungselemente aufweisen können, die die Synthese erschweren. Und dann bleibt im Grunde die Mühe, die den sittlichen Einsatz jedes Menschen kennzeichnet, der sich über seinen Egoismus und seine Grenzen Rechenschaft geben muß.
Aber gerade deshalb sehe ich, wie nützlich es ist, gemeinsam über diese Problematik nachzudenken. Zu diesem Zweck beschränke ich mich hier darauf, im Hinhören auf das, was der Geist Gottes den Kirchen (vgl. Offb 1,7) und der ganzen Menschheit in diesem entscheidenden Abschnitt ihrer Geschichte sagt, einige orientierende Grundsätze anzubieten.
4. Betrachtet man die gesamte Geschichte der Menschheit, ist man immer wieder erstaunt angesichts der umfassenden und vielfältigen Erscheinungsformen der menschlichen Kulturen. Jede von ihnen unterscheidet sich von der anderen durch den besonderen geschichtlichen Weg, der sie kennzeichnet, und durch die daraus folgenden charakteristischen Züge, die sie in ihrer Struktur einzigartig, originell und zu einem einheitlichen Gefüge machen. Die Kultur ist die qualifizierte Äußerung des Menschen und seiner Geschichte sowohl auf individueller wie auf kollektiver Ebene. Denn der Mensch wird vom Verstand und vom Willen unablässig dazu angespornt, die Güter und Werte der Natur zu »kultivieren«, indem er die grundlegenden Erkenntnisse, die alle Aspekte des Lebens betreffen,(1) zu immer höheren und systematischen Kultursynthesen zusammenfügt; besonders gilt das für jene Erkenntnisse, die sein soziales und politisches Zusammenleben, die Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung, den Umgang mit jenen existentiellen Werten und Geltungen, vor allem religiöser Natur, betreffen, die einen Verlauf seiner individuellen und gemeinschaftlichen Geschichte nach wirklich menschlichen Bedingungen erlauben.(2)
5. Die Kulturen sind immer sowohl von stabilen und bleibenden als auch von dynamischen und zufälligen Elementen gekennzeichnet. Auf den ersten Blick führt die Betrachtung einer Kultur zur Wahrnehmung vor allem der charakteristischen Gesichtspunkte, die sie von der Kultur des Beobachters unterscheiden, und sichert ihr ein typisches Aussehen, in dem Elemente verschiedenster Art zusammenlaufen. In den meisten Fällen entwickeln sich die Kulturen in bestimmten Gebieten, wo sich geographische, historische und ethnische Elemente auf originelle und unwiederholbare Weise miteinander verflechten. Diese »Eigentümlichkeit« jeder Kultur spiegelt sich - mehr oder weniger nachhaltig - in den Personen, die Träger der Kultur sind, in einem ständigen Dynamismus von Einflüssen, unter denen die einzelnen Menschen stehen, und Beiträgen, die sie je nach ihren Fähigkeiten und ihrer Begabung für ihre Kultur leisten. Jedenfalls bedeutet Menschsein notwendigerweise Leben in einer bestimmten Kultur. Jeder Mensch wird geprägt von der Kultur, die er einatmet durch die Familie und die Menschengruppen, zu denen er in Beziehung tritt, durch die Bildungswege und die verschiedensten Umwelteinflüsse, durch seine wesentliche Verbundenheit mit dem Gebiet, in dem er lebt. In all dem ist kein Determinismus gegeben, sondern eine ständige Dialektik zwischen der Kraft der Bedingtheiten und dem Dynamismus der Freiheit.
6. Die Aufnahme der eigenen Kultur als Struktur verleihendes Element der Persönlichkeit, insbesondere in der ersten Phase des Heranwachsens, ist eine universale Erfahrung, deren Bedeutung man nicht unterschätzen darf. Ohne diese Verwurzelung in einem festen Nährboden würde der Mensch selbst Gefahr laufen, in noch zartem Alter einem Übermaß an gegensätzlichen Reizen ausgesetzt zu sein, die seiner ruhigen, ausgewogenen Entwicklung nicht förderlich wären. Auf Grund dieser fundamentalen Verbundenheit mit den eigenen »Ursprüngen« - auf familiärer, aber auch territorialer, sozialer und kultureller Ebene - entwickelt sich in den Menschen das »Vaterlandsbewußtsein«, und die Kultur neigt dazu, eine mehr oder weniger »nationale« Gestalt anzunehmen. Selbst der Sohn Gottes erwarb, als er Mensch wurde, mit einer menschlichen Familie auch ein »Vaterland«. Er ist für immer Jesus von Nazaret, der Nazarener (vgl. Mk 10,47; Lk 18,37; Joh 1,45; 19,19). Es handelt sich um einen natürlichen Prozeß, in dem sich soziologische und psychologische Ansprüche gegenseitig beeinflussen, was normalerweise positive und konstruktive Auswirkungen zur Folge hat. Die Vaterlandsliebe ist deshalb ein Wert, den man pflegen muß, »freilich ohne geistige Enge«, vielmehr so, daß sie die Liebe zur ganzen Menschheitsfamilie einschließt(3) und jene pathologischen Erscheinungen vermeidet, die sich dann einstellen, wenn das Zugehörigkeitsgefühl Töne der Selbstverherrlichung und des Ausschlusses der Andersartigkeit anschlägt und Formen von Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit annimmt.
7. Wenn es daher einerseits darauf ankommt, daß man die Werte der eigenen Kultur zu schätzen weiß, so ist andererseits das Bewußtsein erforderlich, daß jede Kultur, da sie ein typisch menschliches und geschichtlich bedingtes Produkt ist, notwendigerweise auch Grenzen einschließt. Ein wirksames Mittel dagegen, daß das kulturelle Zugehörigkeitsgefühl zur Abschottung wird, ist das unparteiliche, nicht von negativen Vorurteilen bestimmte Kennenlernen der anderen Kulturen. Im übrigen lassen die Kulturen bei einer sorgfältigen und strengen Analyse unter ihren mehr äußeren Erscheinungsformen sehr oft gewichtige gemeinsame Elemente erkennen. Das wird auch in der geschichtlichen Aufeinanderfolge von Kulturen und Zivilisationen sichtbar. Den Blick auf Christus gerichtet, der dem Menschen den Menschen selbst vollkommen offenbart,(4) und gestärkt durch eine zweitausendjährige geschichtliche Erfahrung ist die Kirche überzeugt, daß »allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt«.(5) Diese Kontinuität beruht auf den wesentlichen und universalen Merkmalen des göttlichen Planes in bezug auf den Menschen.
Die kulturellen Verschiedenheiten müssen daher in der Grundperspektive der Einheit des Menschengeschlechts verstanden werden, die den wichtigsten historischen und ontologischen Anhaltspunkt darstellt, in dessen Licht man die tiefe Bedeutung der Verschiedenheiten selbst begreifen kann. Tatsächlich ermöglicht nur die gleichzeitige Anschauung sowohl der Einheitselemente wie der Verschiedenheiten das Verstehen und die Deutung der vollen Wahrheit jeder menschlichen Kultur.(6)
8. In der Vergangenheit waren die Unterschiede zwischen den Kulturen oft Quelle von Unverständnis zwischen den Völkern und Anlaß zu Konflikten und Kriegen. Aber leider beobachten wir auch heute noch mit wachsender Sorge, wie sich in verschiedenen Teilen der Welt manche kulturellen Identitäten in polemischer Weise gegen die anderen Kulturen durchsetzen. Dieses Phänomen kann auf Dauer in Spannungen und verheerende Konfrontationen ausarten. Wie beklagenswert ist in dieser Hinsicht die Lage mancher ethnischer und kultureller Minderheiten, die im Umfeld von Mehrheiten leben müssen, die sich kulturell von ihnen unterscheiden und zu feindseligen und rassistischen Einstellungen und Haltungen neigen!
Vor diesem Szenarium muß sich jeder Mensch guten Willens die Frage nach den ethischen Grundorientierungen stellen, die die kulturelle Erfahrung einer bestimmten Gemeinschaft kennzeichnen. Denn so wie der Mensch, der ihr Urheber ist, sind auch die Kulturen durchdrungen von der »geheimen Macht der Gesetzwidrigkeit«, die in der menschlichen Geschichte am Werk ist (vgl. 2 Thess 2,7), und bedürfen genauso der Reinigung und Erlösung. Die Authentizität jeder menschlichen Kultur und die Qualität des Ethos, das sie vermittelt, das heißt die Zuverlässigkeit ihrer moralischen Einstellung, lassen sich in gewisser Weise daran messen, daß sie für den Menschen da sind und für die Förderung seiner Würde auf jeder Ebene und in jedem Umfeld.
9. So besorgniserregend die Radikalisierung der kulturellen Identitäten, die für jeden positiven Einfluß von außen undurchdringlich werden, auch ist, die willfährige Angleichung der Kulturen oder mancher ihrer wesentlichen Aspekte an Kulturmodelle der westlichen Welt stellt eine nicht minder große Gefahr dar: Inzwischen losgelöst vom christlichen Hintergrund, sind diese praktisch von einer säkularisierten Lebensauffassung und Formen eines radikalen Individualismus inspiriert. Es handelt sich dabei um ein Phänomen von gewaltigen Dimensionen, das von den mächtigen Kampagnen in den Massenmedien unterstützt wird, die alles darauf anlegen, Lebensweisen, soziale und wirtschaftliche Vorhaben und schließlich eine Gesamtsicht der Wirklichkeit zu vermitteln, die unterschiedliche kulturelle Ordnungen und ganz wertvolle Kulturen von innen her aushöhlt. Die Kulturmodelle des Westens erscheinen wegen ihrer ausgeprägten wissenschaftlichen und technischen Bedeutung faszinierend und anziehend; leider lassen sie aber immer deutlicher eine fortschreitende Verarmung in humanistischer, geistiger und moralischer Hinsicht erkennen. Die Kultur, die diese Modelle hervorbringt, ist von dem dramatischen Anspruch geprägt, das Wohl des Menschen unter Ausschaltung Gottes, der das höchste Gut ist, verwirklichen zu wollen. Doch - so die mahnenden Worte des II. Vatikanischen Konzils - »das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts!«.(7) Eine Kultur, die es ablehnt, auf Gott Bezug zu nehmen, verliert ihre Seele, findet sich nicht mehr zurecht und wird zu einer Kultur des Todes. Davon zeugen die tragischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. In der heutigen Zeit beweist es die Tatsache, daß sich der Nihilismus in wichtigen Bereichen der westlichen Welt ausbreitet.
10. Analog zu dem, was für die Person gilt, die sich durch die einladende Öffnung gegenüber dem anderen und durch ihre hochherzige Selbsthingabe verwirklicht, müssen auch die von den Menschen und im Dienst an den Menschen erarbeiteten Kulturen mit dem für den Dialog und die Gemeinschaft typischen Dynamismus auf der Grundlage der ursprünglichen und fundamentalen Einheit der Menschheitsfamilie gestaltet werden, die aus den Händen Gottes hervorging: »Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen« (Apg 17,26).
Aus dieser Sicht erhebt sich der Dialog zwischen den Kulturen - so das Thema der vorliegenden Botschaft zum Weltfriedenstag - als ein Bedürfnis, das der Natur des Menschen und der Kultur innewohnt. Als vielfältige und schöpferische historische Ausdrucksformen der ursprünglichen Einheit der Menschheitsfamlie finden die Kulturen im Dialog den Schutz ihrer Eigenart und des gegenseitigen Verstehens und der Gemeinsamkeit. Die Idee der Gemeinsamkeit, die ihre Quelle in der christlichen Offenbarung und das höchste Vorbild im dreieinigen Gott hat (vgl. Joh 17,11.21), ist niemals Einebnung in der Uniformität oder erzwungene Angleichung oder Vereinheitlichung; sie ist vielmehr Ausdruck des Aufeinander-Zustrebens einer vielgestaltigen Vielfalt und wird daher Zeichen des Reichtums und Verheißung der Entfaltung.
Der Dialog läßt den Reichtum der Verschiedenheiten erkennen und disponiert die Herzen zur gegenseitigen Annahme in der Perspektive einer echten Zusammenarbeit, die der ursprünglichen Berufung der ganzen Menschheitsfamilie zur Einheit entspricht. So gesehen ist der Dialog ein hervorragendes Werkzeug für die Verwirklichung der Zivilisation der Liebe und des Friedens, auf die mein ehrwürdiger Vorgänger, Papst Paul VI., als das Ideal hingewiesen hat, an dem sich das kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Leben unserer Zeit inspirieren soll. Am Beginn des dritten Jahrtausends ist es dringend geboten, einer Welt, die von zu vielen Konflikten und Gewalttaten heimgesucht wird und manchmal mutlos und unfähig ist, den Horizont der Hoffnung und des Friedens abzusuchen, wieder den Weg des Dialogs anzubieten.
11. Der Dialog zwischen den Kulturen erscheint heute besonders nötig, wenn man an den Einfluß der neuen Kommunikationstechnologien auf das Leben der Personen und der Völker denkt. Wir befinden uns im Zeitalter der globalen Kommunikation, welche die Gesellschaft nach neuen Kulturmodellen formt, die den Modellen der Vergangenheit mehr oder weniger fremd sind. Grundsätzlich ist die genaue und ständig aktualisierte Information praktisch jedem in jedem Teil der Welt zugänglich.
Der freie Fluß der Bilder und Worte auf Weltebene verändert nicht nur die Beziehungen zwischen den Völkern in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, sondern selbst das Verständnis der Welt. Dieses Phänomen bietet vielfältige Möglichkeiten, die man einst nicht zu erhoffen wagte, weist aber auch einige negative und gefährliche Aspekte auf. Die Tatsache, daß eine beschränkte Zahl von Ländern das Monopol der kulturellen »Industrien« besitzt und ihre Produkte überall auf der Erde an ein ständig wachsendes Publikum verteilt, kann einen mächtigen Erosionsfaktor darstellen, der zum Schwund der spezifischen kulturellen Eigenarten führt. Es handelt sich um Produkte, die implizite Wertsysteme enthalten und vermitteln und sich deshalb bei den Empfängern als geistige Entleerung und Verlust der Identität auswirken können.
12. Der Stil und die Kultur des Dialogs ist von besonderer Bedeutung, wenn es um die komplexe Problematik der Migrationen geht, einer wichtigen gesellschaftlichen Erscheinung unserer Zeit. Die Bewegung großer Massen aus einer Region des Planeten in eine andere, die für alle, die daran beteiligt sind, oft eine dramatische menschliche Odyssee darstellt, hat die Mischung von unterschiedlichen Traditionen und Bräuchen zur Folge, mit beachtlichen Auswirkungen sowohl in den Herkunfts- als auch in den Ankunftsländern. Die zurückhaltende Aufnahme der Migranten von seiten der Länder, die sie empfangen, und ihre Fähigkeit, sich in die neue menschliche Umgebung zu integrieren, stellen ebenso Bewertungsmaßstäbe für die Qualität des Dialogs zwischen den verschiedenen Kulturen dar.
Was das heutzutage so heiß debattierte Thema der kulturellen Integration betrifft, so ist es in der Tat nicht leicht, Ordnungen und Regelungen festzuschreiben, die ausgewogen und gerecht die Rechte und Pflichten sowohl des Aufnehmenden wie des Aufgenommenen garantieren. Im Laufe der Geschichte sind die Migrationsprozesse auf verschiedenste Weise und mit unterschiedlichem Ausgang vor sich gegangen. Viele Zivilisationen haben sich durch die von der Einwanderung erbrachten Beiträge entwickelt und bereichert. In anderen Fällen wurden die kulturellen Unterschiede von Eingesessenen und Zuwanderern zwar nicht integriert, aber sie haben durch praktisch geübte gegenseitige Achtung der Personen und durch die Annahme bzw. Tolerierung der unterschiedlichen Bräuche die Fähigkeit zum Zusammenleben bewiesen. Leider bestehen auch weiterhin Situationen, wo die Schwierigkeiten der Begegnung zwischen den verschiedenen Kulturen nie gelöst und die Spannungen zur Ursache periodisch auftretender Konflikte geworden sind.
13. Bei einem so komplizierten Thema gibt es keine »Zauberformeln«; trotzdem ist es angezeigt, einige ethische Grundprinzipien als Bezugspunkte aufzustellen. An erster Stelle ist der Grundsatz zu nennen, wonach die Zuwanderer immer mit der Achtung behandelt werden müssen, die der Würde jedes Menschen gebührt. Diesem Grundsatz muß sich die gebührende Einschätzung des Gemeinwohls beugen, wenn es darum geht, die Einwanderungsströme zu regeln. Es wird sich dann darum handeln, die Aufnahme, die man allen Menschen, besonders wenn es Bedürftige sind, schuldig ist, mit der Einschätzung der Voraussetzungen zu verbinden, die für ein würdevolles und friedliches Leben der ursprünglich ansässigen Bevölkerung und der hinzugekommenen unerläßlich sind. Was die kulturellen Ansprüche der Einwanderer betrifft, müssen sie in dem Maße respektiert und angenommen werden, in dem sie zu den im Naturgesetz niedergelegten, allgemeinen sittlichen Werten und zu den menschlichen Grundrechten nicht im Gegensatz stehen.
14. Schwieriger ist es festzulegen, wie weit das Recht der Immigranten auf öffentlich rechtliche Anerkennung ihrer spezifischen kulturellen Ausdrucksformen reicht, die sich nur schwer mit den Gepflogenheiten der Mehrheit der Bürger vertragen. Die Lösung dieses Problems im Rahmen einer grundsätzlichen Öffnung ist gebunden an die konkrete Bewertung des Gemeinwohls zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt und in einer bestimmten territorialen und sozialen Situation. Viel hängt davon ab, daß sich in den Herzen eine Kultur der Gastfreundschaft durchsetzt, die, ohne dem Indifferentismus im Hinblick auf die Werte nachzugeben, die Gründe für die Identität und jene für den Dialog zusammenzubringen vermag.
Andererseits darf man, wie ich schon bemerkt habe, den Wert, den die charakteristische Kultur eines bestimmten Gebietes für das ausgeglichene Heranwachsen, besonders im zartesten Entwicklungsalter, derjenigen, die von Geburt an dorthin gehören, nicht unterschätzen. Unter diesem Gesichtspunkt mag man es für eine plausible Orientierung halten, wenn einem bestimmten Gebiet im Verhältnis zu der Kultur, die es vorwiegend geprägt hat, ein gewisses »kulturelles Gleichgewicht« garantiert wird; ein Gleichgewicht, das auch in der Öffnung gegenüber den Minderheiten und in der Respektierung ihrer Grundrechte die Bewahrung und die Entwicklung einer bestimmten »kulturellen Gestalt« erlaubt, das heißt jenes Grunderbes von Sprache, Traditionen und Werten, die man im allgemeinen mit der Erfahrung der Nation und dem »Vaterlandsgefühl« verbindet.
15. Es ist jedoch offenkundig, daß man dieses Bedürfnis nach »Gleichgewicht« in bezug auf die kulturelle Gestalt eines bestimmten Gebietes nicht mit rein gesetzgeberischen Mitteln befriedigen kann, da diese ohne Fundament im Ethos der Bevölkerung wirkungslos blieben und außerdem natürlich dann geändert werden müßten, wenn eine Kultur in der Tat die Fähigkeit verlieren sollte, einem Volk und einem Land lebendigen Ausdruck zu verleihen, und einfach zu einem in Museen oder Kunst- und Literaturdenkmälern gehüteten Erbe wird.
Tatsächlich hat eine Kultur in dem Maße, in dem sie wirklich lebendig ist, keinen Grund zur Befürchtung, unterdrückt zu werden, während kein Gesetz sie am Leben halten könnte, wenn sie in den Herzen gestorben wäre. Aus der Perspektive des Dialogs zwischen den Kulturen kann man nicht den einen daran hindern, dem anderen die Werte anzubieten, an die er glaubt, vorausgesetzt, daß es unter Respektierung der Freiheit und des Gewissens der Personen erfolgt. »Anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt«.(8)
16. Der Dialog zwischen den Kulturen als bevorzugtes Mittel für den Aufbau der Zivilisation der Liebe, stützt sich auf das Wissen darum, daß es Werte gibt, die allen Kulturen gemeinsam sind, weil sie in der Natur der Person selbst verwurzelt sind. In diesen Werten bringt die Menschheit ihre wahrhaftigsten und bedeutsamsten Wesenszüge zum Ausdruck. Während man ideologische Vorbehalte und parteiische Egoismen hinter sich läßt, gilt es, in den Herzen das Wissen um diese Werte zu pflegen, um jenen kulturellen Nährboden allgemeiner Natur zu fördern, der die fruchtbare Entfaltung eines konstruktiven Dialogs ermöglicht. Auch die verschiedenen Religionen können und müssen einen entscheidenden Beitrag in diesem Sinne leisten. Die Erfahrung, die ich viele Male bei der Begegnung mit Repräsentanten anderer Religionen gemacht habe - ich denke im besonderen an die Treffen 1986 in Assisi und 1999 auf dem Petersplatz -, bestärkt mich in der Zuversicht, daß von der gegenseitigen Öffnung der Angehörigen der verschiedenen Religionen große Vorteile für die Sache des Friedens und des gemeinsamen Wohls der Menschheit ausgehen können.
17. Angesichts der wachsenden Ungleichheiten in der Welt ist der erste Wert, den man immer mehr bewußt machen muß, sicherlich die Solidarität. Jede Gesellschaft stützt sich auf die Grundlage der ursprünglichen Beziehung der Personen untereinander. Der Kreis der Verbindungen spannt sich immer weiter auf: von der Familie über weitere vermittelnde gesellschaftliche Gruppen bis zur ganzen bürgerlichen Gesellschaft und der staatlichen Gemeinschaft. Die Staaten ihrerseits können nicht umhin, untereinander in Beziehung zu treten: Die gegenwärtige Situation der weltweiten gegenseitigen Abhängigkeit erleichtert es, die Schicksalsgemeinschaft der ganzen Menschheitsfamilie besser wahrzunehmen, und fördert in allen nachdenklichen Menschen die Achtung vor der Tugend der Solidarität.
In diesem Zusammenhang muß man allerdings feststellen, daß die zunehmende Abhängigkeit dazu beigetragen hat, zahlreiche Ungleichheiten ans Licht zu heben: das Ungleichgewicht zwischen reichen und armen Ländern; innerhalb jedes Landes den sozialen Bruch zwischen denen, die im Überfluß leben, und jenen, die in ihrer Würde verletzt sind, weil ihnen auch das Nötige fehlt; den vom verantwortungslosen Gebrauch der natürlichen Ressourcen hervorgerufenen und beschleunigten Verfall der Umwelt und des Menschen. Solche soziale Ungleichheiten und Mißverhältnisse haben in einigen Fällen zugenommen, bis sie die ärmsten Länder unaufhaltsam ins Abseits drängten.
Das Herz einer echten Kultur der Solidarität bildet daher die Förderung der Gerechtigkeit. Es geht ja nicht bloß darum, dem Bedürftigen vom Überfluß abzugeben, sondern »ganzen Völkern den Zugang in den Kreis der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung zu eröffnen, von dem sie ausgeschlossen oder ausgegrenzt sind. Dafür genügt es nicht, aus dem Überfluß zu geben, den unsere Welt reichlich produziert. Dazu müssen sich vor allem die Lebensweisen, die Modelle von Produktion und Konsum und die verfestigten Machtstrukturen ändern, die heute die Gesellschaften beherrschen«.(9)
18. Die Kultur der Solidarität ist eng mit dem Wert des Friedens verbunden, dem vorrangigen Ziel jeder Gesellschaft und des Zusammenlebens auf nationaler und internationaler Ebene. Auf dem Weg zu einer besseren Völkerverständigung gibt es aber noch zahlreiche Herausforderungen, denen sich die Welt stellen muß: Alle stehen daher vor unaufschiebbare Entscheidungen.
Während der Einsatz für den Atomwaffenstop mühsam an Boden gewinnt, droht die besorgniserregende Steigerung der Rüstungsproduktion eine Kultur des Kampfes und des Konfliktes zu fördern und auszubreiten, die nicht nur die Staaten mit einbezieht, sondern auch nicht institutionelle Bereiche, wie paramilitärische Gruppen und terroristische Organisationen.
Die Welt ist noch mit den Konsequenzen vergangener und gegenwärtiger Kriege sowie mit den Tragödien beschäftigt, die vom beklagenswerten Gebrauch von Anti-Personen-Minen hervorgerufen werden. Außerdem steht sie der Gefahr der schrecklichen chemischen und biologischen Waffen gegenüber, die die giftige Frucht der heutigen technisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse sind. Und was soll man sagen von dem ständigen Risiko von Konflikten zwischen Nationen, von Bürgerkriegen im Inneren verschiedener Staaten und von einer verbreiteten Gewalt, der gegenüber sich die internationalen Organisationen und die nationalen Regierungen als nahezu ohnmächtig erweisen? Solchen Bedrohungen gegenüber müssen alle es als ihre moralische Pflicht empfinden, konkrete und rechtzeitige Entscheidungen zu treffen, um die Sache des Friedens und des Verständnisses unter den Menschen zu fördern.
19. Ein echter Dialog zwischen den Kulturen muß außer dem Gefühl der gegenseitigen Achtung eine lebendige Sensibilität für den Wert des Lebens fördern. Das menschliche Leben darf nicht als Objekt gesehen werden, über das man willkürlich verfügt, sondern als die heiligste und unantastbarste Wirklichkeit, die auf der Bühne der Welt auftritt.
Es kann keinen Frieden geben, wenn der Schutz dieses grundlegenden Gutes Schaden nimmt. Man kann nicht den Frieden fordern und das Leben mißachten. Unsere Zeit kennt leuchtende Beispiele von Hochherzigkeit und Hingabe im Dienst am Leben, aber auch das traurige Szenarium von Hunderten Millionen Menschen, die von der Grausamkeit oder Gleichgültigkeit einem schmerzlichen und brutalen Schicksal ausgeliefert werden. Es handelt sich um eine tragische Todesspirale, die Morde, Selbstmorde, Abtreibungen, Euthanasie ebenso umfaßt wie die Praktiken der Verstümmelung, die Methoden physischer und psychologischer Folter, die Formen ungerechter Nötigung, die willkürliche Gefangensetzung, die überhaupt nicht nötige Anwendung der Todesstrafe, die Deportationen, die Sklaverei, die Prostitution, den Frauen- und Kinderhandel. Zu dieser Liste müssen unverantwortliche Praktiken der Gentechnik angefügt werden, wie das Klonen und die Verwertung menschlicher Embryonen für die Forschung, die man mit einer unzulässigen Bezugnahme auf die Freiheit, auf den Fortschritt der Kultur, auf die Förderung der menschlichen Entwicklung zu rechtfertigen sucht.
Wenn die schwächsten und hilflosesten Glieder der Gesellschaft derartige Grausamkeiten erleiden, wird dem auf den Werten der Person, des Vertrauens und der gegenseitigen Achtung und Hilfe beruhenden Begriff der Menschheitsfamilie schwerer Schaden zugefügt. Eine Zivilisation, die auf die Liebe und den Frieden gegründet ist, muß sich diesen menschenunwürdigen Experimenten widersetzen.
20. Für den Aufbau der Zivilisation der Liebe muß der Dialog zwischen den Kulturen die Überwindung jeglichen ethnozentrischen Egoismus anstreben, um die Aufmerksamkeit für die eigene Identität mit dem Verständnis der anderen und der Achtung vor der Verschiedenheit zu verbinden. Als grundlegend erweist sich in diesem Zusammenhang die Verantwortung für die Erziehung. Sie muß den Menschen das Wissen um ihre Wurzeln vermitteln und Bezugspunkte liefern, die es erlauben, ihre persönliche Stellung in der Welt zu definieren. Zugleich muß sie sich bemühen, die Achtung für die anderen Kulturen zu lehren. Man muß über die unmittelbare individuelle Erfahrung hinausblicken und die Unterschiede annehmen, wobei man den Reichtum der Geschichte der anderen und ihrer Werte entdeckt.
Die mit dem gebührenden kritischen Sinn und mit soliden ethischen Bezugspunkten erworbene Kenntnis der anderen Kulturen führt zu einem größeren Wissen um die Werte und Grenzen in der eigenen Kultur und enthüllt gleichzeitig das Vorhandensein eines dem ganzen Menschengeschlecht gemeinsamen Erbes. Kraft dieser Horizonterweiterung hat die Erziehung eine besondere Funktion beim Aufbau einer solidarischeren und friedlicheren Welt. Sie kann zur Bejahung jenes unverkürzten Humanismus beitragen, der offen ist für die ethische und religiöse Dimension und der Kenntnis und Wertschätzung der Kulturen und der geistigen Werte der verschiedenen Zivilisationen die gebührende Bedeutung beizumessen vermag.
21. Während des Großen Jubiläums, zweitausend Jahre nach der Geburt Jesu, hat die Kirche mit besonderer Intensität die anspruchsvolle Aufforderung zur Versöhnung gelebt. Eine Aufforderung, die auch im Rahmen der Gesamtthematik des Dialogs zwischen den Kulturen von maßgebender Bedeutung ist. Oft ist der Dialog nämlich schwierig, weil auf ihm die Hypothek tragischer Hinterlassenschaften von Kriegen, Konflikten, Gewalttaten und Haß lastet und dem Gedächtnis weiter Nahrung gibt. Um die Schranken der Kommunikationsunfähigkeit zu überwinden, muß man den Weg der Vergebung und Versöhnung einschlagen. Im Namen eines nüchternen Realismus halten viele diesen Weg für utopisch und naiv. Aus christlicher Sicht hingegen ist es der einzige Weg, um das Ziel des Friedens zu erreichen.
Der Blick der Gläubigen ruht fest auf dem sichtbaren Bild des Gekreuzigten. Vor seinem Tod ruft er aus: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« (Lk 23,34). Als der zu seiner Rechten gekreuzigte Missetäter diese letzten Worte des sterbenden Erlösers hört, öffnet er sich der Gnade der Bekehrung, er empfängt das Evangelium von der Vergebung und erhält die Verheißung der ewigen Seligkeit. Das Beispiel Christi macht es uns zur Gewißheit, daß sich die vielen Mauern, die die Kommunikation und den Dialog zwischen den Menschen blockieren, tatsächlich niederreißen lassen. Der Blick auf den Gekreuzigten flößt uns das Vertrauen ein, daß Vergebung und Versöhnung zur normalen Praxis des täglichen Lebens und jeder Kultur werden können und damit zu konkreten Gelegenheiten, um den Frieden und die Zukunft der Menschheit aufzubauen.
Eingedenk der wichtigen Erfahrung der Reinigung des Gedächtnisses im Jubiläumsjahr möchte ich einen besonderen Appell an die Christen richten, dadurch zu Zeugen und Boten der Vergebung und Versöhnung zu werden, daß sie mit der eifrigen Anrufung des Gottes des Friedens die Verwirklichung der herrlichen Prophezeiung des Jesaja betreiben, die sich auf alle Völker der Erde ausdehnen läßt: »An jenem Tag wird eine Straße von Ägypten nach Assur führen, so daß die Asssyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assur ziehen können. Und Ägypten wird zusammen mit Assur (dem Herrn) dienen. An jenem Tag wird Israel als drittes dem Bund von Ägypten und Assur beitreten, zum Segen für die ganze Erde. Denn der Herr der Heere wird sie segnen und sagen: Gesegnet ist Ägypten, mein Volk, und Assur, das Werk meiner Hände, und Israel, mein Erbbesitz« (Jes 19, 23-25).
22. Ich möchte diese Friedensbotschaft abschliessen mit einem besonderen Aufruf an euch, Jugendliche der ganzen Welt, denn ihr seid die Zukunft der Menschheit und die lebendigen Bausteine für die Errichtung der Zivilisation der Liebe. Ich bewahre in meinem Herzen die Erinnerung an die ergreifenden und hoffnungsvollen Begegnungen mit euch während des letzten Weltjugendtages in Rom. Eure Zustimmung war freudig, überzeugt und vielversprechend. In eurer Tatkraft und Vitalität und in eurer Liebe zu Christus habe ich eine friedvollere und humanere Zukunft für diese Welt erahnen können.
Während ich eure Nähe spürte, empfand ich in mir ein Gefühl tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn, der mir die Gnade bereitete, durch das bunte Mosaik eurer unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, Gewohnheiten und Denkweisen das Wunder der Universalität der Kirche, ihrer Katholizität, ihrer Einheit zu betrachten. Durch euch habe ich gesehen, wie wunderbar sich die Verschiedenheiten in der Einheit desselben Glaubens, derselben Hoffnung und derselben Liebe zusammenfügen und so zu einem sehr sprechenden Ausdruck der großartigen Wirklichkeit der Kirche werden, des Zeichens und Werkzeugs Jesu Christi zum Heil der Welt und für die Einheit des Menschengeschlechts.(10) Das Evangelium ruft euch auf, jene ursprüngliche Einheit der Menschheitsfamilie wiederherzustellen, die in Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist, ihre Quelle hat.
Liebe junge Menschen aller Sprachen und Kulturen! Euch erwartet eine hohe und begeisternde Aufgabe: Männer und Frauen zu sein, die in der Achtung vor allen fähig sind zu Solidarität, Frieden und Liebe zum Leben. Seid Baumeister einer neuen Menschheit, wo Brüder und Schwestern, Glieder ein und derselben Familie, endlich leben können in Frieden!
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2000, Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens.
(1) Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 53.
(2) Vgl. Johannes Paul II., Ansprache vor den Vereinten Nationen am 50. Jahrestag ihres Bestehens (5. Oktober 1995).
(3) Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 75.
(4) Vgl. Ebd., Nr. 22.
(5) Vgl. Ebd., Nr. 10.
(6) Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die UNESCO (2. Juni 1980), 6.
(7) Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 36.
(8) II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 1.
(9) Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, 58.
(10) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1.